Batterieenergiespeichersysteme (BESS) spielen eine zentrale Rolle für die Flexibilität und Stabilität künftiger Energiesysteme. Auch Alpiq investiert in diese Technologie, um die Versorgungssicherheit für die Schweiz und Europa zu stärken und die Integration erneuerbarer Energien zu fördern. Wie sieht die BESS-Strategie von Alpiq aus? Welche Ziele wurden bereits erreicht? Und welche weiteren Entwicklungen sind zu erwarten? Im Interview mit Christoph Bellin, Leiter Entwicklung & Projekte bei Alpiq und zuständig für den Aufbau eines europaweiten BESS-Portfolios im Gigawatt-Bereich, beschäftigen wir uns mit diesem Thema.
Christoph, Alpiq treibt den Ausbau ihres BESS-Portfolios voran. Wie sieht die Strategie von Alpiq im Bereich BESS genau aus und was sind die Hauptziele dieses Ausbaus?
Die übergeordnete Strategie von Alpiq besteht darin, ihre Präsenz im Bereich Flexibilität deutlich zu verstärken, sowohl durch Direktinvestitionen in die eigene Asset-Basis als auch durch wirtschaftliche Expansion im Origination-Bereich. Die Technologie ist gereift, die Investitionsausgaben sind – hauptsächlich bedingt durch die Verringerung der Produktionskosten für Batteriezellen in den letzten Jahren – erheblich gesunken. BESS bieten dank ihrer Skalierbarkeit die beste Antwort auf kurzfristigen Flexibilitätsbedarf im Netz. Unser Ziel ist es, unser bereits weitgehend flexibles Stromerzeugungsportfolio auf Basis von Wasserkraft und thermischen Kraftwerken durch einen beträchtlichen Bestand an BESS-Anlagen zu erweitern. Wir sehen darin eine äusserst synergetische Ergänzung unserer bestehenden Asset-Basis und gehen davon aus, dass diese Anlagen in naher Zukunft einen wesentlichen Beitrag zur Wertschöpfung für Alpiq leisten werden.
BESS sind für Alpiq noch ein relativ neuer Geschäftsbereich. Der BESS-Markt wächst rasant und ist geprägt von starkem Wettbewerb. Was sind die wichtigsten Erfahrungen und Erkenntnisse für uns?
Das stimmt. Meiner Ansicht nach muss sich Alpiq an das Wettbewerbsumfeld anpassen, da sich das Umfeld nicht an uns anpassen wird. Als eine neue Asset-Kategorie zieht BESS Kapital von ausserhalb des traditionellen Versorgungsbereichs an. Investoren-Fonds und Private Equity sind es gewohnt, sehr schnell und effizient zu agieren. Sie setzen Massstäbe. Ich halte das für eine positive Herausforderung: Die starke Bilanz von Alpiq ermöglicht es uns, in grossem Umfang zu investieren, schliesslich müssen wir mit dem Tempo und der Disziplin dieser Akteure Schritt halten.
Unser endgültiges Ziel ist der Aufbau eines wirtschaftlich leistungsfähigen BESS-Asset-Portfolios für Alpiq.
Mit welchen externen Herausforderungen galt es umzugehen, als Alpiq in den BESS-Markt eintrat?
Extern ist der Wettbewerb um hochwertige Projekte und Talente intensiv, deutlich intensiver, als ich anfangs erwartet hatte. Auch wenn die BESS-Technologie selbst relativ standardisiert ist, ist die gesamteuropäische Entwicklerlandschaft stark fragmentiert. Lokale Vorschriften, regulatorische Rahmenbedingungen und Genehmigungsverfahren unterscheiden sich erheblich. Wir haben zu Beginn unterschätzt, wie wichtig ein profundes Verständnis dieser lokalen Dynamiken – inzwischen ein entscheidender Erfolgsfaktor – ist. Ferner ist die Verfügbarkeit von Netzanschlüssen naturgemäss begrenzt – und wird bei vielen Projekten in ganz Europa zum limitierenden Skalierungsfaktor.
Eine weitere externe Herausforderung war es, qualifizierte Mitarbeitende für unser Team zu finden. Im BESS-Segment wurde Alpiq anfangs nicht als ernstzunehmende Konkurrenz wahrgenommen. Dies änderte sich mit der Planung und dem Bau unserer ersten drei grossen BESS-Projekte deutlich. Diese Entwicklung hat uns zu einem sichtbaren und glaubwürdigen Akteur gemacht. Da BESS zu einem der am schnellsten wachsenden Industriezweige weltweit zählt, wird der Wettbewerb um Talente weitergehen.
Und innerhalb des Unternehmens – was waren hier die grössten Herausforderungen?
Intern galt es, Ineffizienzen und überlastete Prozesse zu vermeiden. Hier haben wir erhebliche Fortschritte erzielt. Mein Team und ich agieren mit einem hohen Mass an Autonomie und verfügen über eine «License to act». Unser Fast-Track-M&A-Prozess für BESS zeichnet sich durch ein klares Mandat und eine schlanke Governance aus: ein einheitlicher Lenkungsausschuss für alle Projekte, weniger Entscheidungspunkte und weniger Beteiligte in der Genehmigungskette. Nun, da wir in eine Phase eintreten, in der sich mehrere BESS-Projekte parallel in der Umsetzung befinden, erwarten wir ähnliche Effizienzgewinne innerhalb der Organisation für den Bau. Jedes Projekt bringt neue Erkenntnisse mit sich. Die Herausforderung besteht darin, sicherzustellen, dass diese Erkenntnisse zwischen den Teams ausgetauscht werden, und Probleme antizipiert werden, anstatt nur darauf zu reagieren. Abschliessend möchte ich eine wichtige Erkenntnis hervorheben: Man sollte nicht davon ausgehen, dass die Geschäftsleitung alle Antworten kennt oder detaillierte Ausführungskonzepte definiert. Es liegt an uns allen – insbesondere an der Führung –, strategische Ambitionen in Taten umzusetzen, indem wir auf allen Ebenen Führungsstärke zeigen. Es braucht eine grundlegend andere Art von Energie!
Die Integration von Flexibilitätslösungen wird für eine erfolgreiche Energiewende in der Zukunft entscheidend sein. Inwieweit spielen dabei BESS-Technologien eine zentrale Rolle?
Bisher sehe ich BESS als die einzige skalierbare, wirtschaftlich tragfähige und ausgereifte Technologie, die in der Lage ist, die schnell wachsenden kurzfristigen Flexibilitätsanforderungen zu erfüllen, die durch den Ausbau erneuerbarer Energien und die fortschreitende Elektrifizierung getrieben werden. Ich gehe davon aus, dass BESS in den kommenden Jahren eine noch wichtigere Rolle spielen werden, da die Systemanforderungen beständig zunehmen und die Anforderungen an die Zuverlässigkeit steigen. Auch wenn BESS keine Universallösung und nicht auf langfristige oder saisonale Speicherbedürfnisse ausgerichtet sind, sind sie meines Erachtens ein entscheidender Wegbereiter für die Energiewende und ein wichtiger Hebel bei der Umstellung unseres Energiesystems auf Netto-Null.
Ich gehe auch davon aus, dass Lösungen zur flexiblen Anpassung des Stromverbrauchs und zur Nutzung eigener Energiequellen in den nächsten Jahren deutlich an Relevanz gewinnen werden. Da die Elektrifizierung fortschreitet und dezentrale Energieressourcen zunehmen, werden diese Lösungen vermehrt Netzspeicher ergänzen und Teil eines integrierten Flexibilitätspakets werden. Wichtig ist, dass Regulierungsbehörden und Netzbetreiber in ganz Europa die Bedeutung von BESS zunehmend antizipieren und akzeptieren, wobei weiterhin mit einer gewissen Volatilität und Überraschungen zu rechnen sein wird.
Die Inbetriebnahme unserer ersten 30-MW-BESS im finnischen Valkeakoski im Herbst 2025 ist für Alpiq ein Meilenstein. Wie genau sieht der kommerzielle Betrieb der Anlage aus?
Zunächst möchte ich allen beteiligten Kolleginnen und Kollegen meine Wertschätzung aussprechen. Dieses Projekt geht weit über mein eigenes Team hinaus, und es ist erfreulich, zu sehen, wie es sich entwickelt hat – von der Vertragsausführung über die Bauarbeiten bis hin zum kommerziellen Betrieb. Die Vermarktung wird vollständig von unserem Trading-Team und der ersten Ebene unserer eigenen BESS-Accelerator-Plattform (BESS Accelerator Day 1) gesteuert. Diese Plattform ermöglicht das automatisierte Trading und die Vermarktung der Batterieflexibilität in allen relevanten Marktsegmenten – Systemdienstleistungen, Grosshandelsmärkte. Für mich ist es aufgrund meines Hintergrunds im Energiehandel spannend, zu sehen, wie sich die Rolle des Energiehändlers entwickelt hat: von der manuellen Ausführung zu etwas, das eher der Arbeit eines Piloten gleicht. Die zentrale Bedeutung für Sicherheit und Ausnahmesituationen bleibt bestehen, aber man ist weitgehend mit der Überwachung eines hochautomatisierten Systems beschäftigt. Der BESS Accelerator ist eine gemeinsame Leistung verschiedener Teams und Geschäftsbereiche. Es ist grossartig, zu sehen, wie das Konzept nun operative Realität wird.
Weitere BESS-Projekte sind in Umsetzung. Wo sieht Alpiq in den kommenden Jahren weiteres Potenzial, ihre Wachstumsstrategie im BESS-Bereich auszubauen?
Die eigentliche Frage ist, wo und wie? Wir haben ein europaweites Multi-Gigawatt-Ziel. Um dies zu erreichen, müssen wir über das Offensichtliche hinausgehen. Ja, wir werden die Akquisition und den Bau einzelner Projekte weiter forcieren, dies aber auch durch die gezielte Suche nach anorganischem Wachstum und Investitionen in führende BESS-Entwickler oder IPP-Plattformen ergänzen. Aus diesem Grund wird das Team in Kürze durch neue Mitarbeitende verstärkt. Ausserdem gehen wir frühzeitig im Prozess Partnerschaften mit ausgewählten Entwicklern ein, indem wir entsprechende Vereinbarungen abschliessen. Dieser Ansatz hat sich bereits bewährt: Vor kurzem haben wir uns eine Pipeline von drei Projekten mit einer Gesamtleistung von mehr als 400 MW in Deutschland gesichert. Ich bin stolz auf diese Leistung, die unter hohem Zeitdruck in nur zwei Monaten vom Konzept bis zur Umsetzung realisiert wurde. Ein grosses Lob an das Team unserer Rechtsabteilung für seine hervorragende Unterstützung!
Geografisch gesehen schauen wir aktiv über unsere derzeitigen Kernmärkte – Schweiz, Frankreich, Italien, Deutschland, Spanien und die nordischen Länder – hinaus und evaluieren zusätzliche Märkte wie Grossbritannien, Polen und die Benelux-Region. Was wir vermeiden wollen, sind verstreute, kleinflächige «BESS-Inseln». Jeder Markt, in den wir eintreten, muss ein klares Wachstumspotenzial und eine nachhaltige langfristige Perspektive für BESS bieten.
Ich verstehe den Wunsch nach klaren Zielen und festen Fahrplänen. Aber auch wenn wir fest an den künftigen Wert der Flexibilität glauben, erfordert die Umsetzung dieses Ziels eine regelmässige Neubewertung der Schwerpunkte, Agilität bei der Anpassung der Prioritäten und die Bereitschaft, bei Bedarf Kursänderungen vorzunehmen. Das endgültige Ziel ist nicht nur die Gigawatt-Akkumulation, sondern der Aufbau eines wirtschaftlich leistungsfähigen BESS-Asset-Portfolios für Alpiq.