Versorgungssicherheit

„Das Gornerli wird einen wichtigen Beitrag zur Versorgungssicherheit des Landes leisten“

29.09.2025, 07:00 | Versorgungssicherheit

Im Jahr 2021 brachte der «Runde Tisch Wasserkraft» Vertreterinnen und Vertreter von Schweizer Bundesbehörden, aus der Energiebranche und von Umweltverbänden zusammen, um über die Versorgungssicherheit der Schweiz zu beraten. Der Runde Tisch identifizierte 15 Wasserkraftprojekte, die die saisonale Produktion um etwa 2 TWh steigern sollen, ein 16. wurde später hinzugefügt. Die aktuellen politischen Diskussionen haben dieses Thema wieder in den Blickpunkt gerückt. Die beiden Kammern des Schweizer Parlaments haben gerade intensiv über die umstrittene Frage des Verbandsbeschwerderechts im Rahmen des „Beschleunigungserlasses“ debattiert, welcher den Ausbau von Wasserkraftprojekten voranbringen soll. Schliesslich wurde ein politischer Kompromiss gefunden, der insbesondere vorsieht, dass das Kantonsgericht in letzter Instanz über Beschwerden gegen Projekte des Runden Tisches entscheidet. Ein Weiterzug bis ans Bundesgericht ist damit ausgeschlossen und hat das Ziel, die Verfahren so zu beschleunigen. Wir geben einen Überblick über die aktuellen Projekte von Alpiq. Wir sprechen darüber mit Michaël Plaschy, Leiter Hydro Power Schweiz.

Michaël Plaschy, das Parlament hat gerade eine wichtige politische Entscheidung zur Beschleunigung der Verfahren für die Projekte dieses Runden Tisches Wasserkraft getroffen. Welche Auswirkungen hat das insbesondere auf die Projekte von Alpiq?

Michaël Plaschy: Für die Projekte war es wichtig, eine Entscheidung zu haben. Diese Lösung ermöglicht es uns letztlich, voranzukommen und ihre Entwicklung im politisch definierten Rahmen fortzusetzen, um der Dringlichkeit der Schweizer Versorgungssicherheit, insbesondere im Winter, gerecht zu werden. Dieses Gesetz sieht spezifische Erleichterungen vor. So können beispielsweise die zusätzlichen Ausgleichsmassnahmen, die für die 16 Projekte des Runden Tisches gefordert werden, unabhängig von der Genehmigung des Projekts selbst behandelt werden. Diese Änderung bestätigt auch die Möglichkeit, mit den betreffenden Gemeinden eine Zusatzkonzession zu einer bestehenden Konzession auszuhandeln und nicht eine neue Konzession beantragen zu müssen. Die Zusatzkonzession muss zudem ausdrücklich für neue Staudämme gelten, was für das Gornerli-Projekt besonders wichtig ist.

Welche Alpiq-Projekte betreffen konkret den «Runden Tisch Wasserkraft»?

Wir entwickeln hier drei Projekte: einen neuen Staudamm am Gornerli oberhalb von Zermatt unter der Leitung der Grande Dixence SA sowie zwei Erhöhungen bereits bestehender Staudämme, nämlich Moiry und Emosson, beide ebenfalls im Wallis.

Unbestritten ist das Gornerli-Projekt das wichtigste …

Ganz klar! Es handelt sich um eine neue Infrastruktur, die in das weitreichende Netz der Wasserkraftanlagen von Grande Dixence integriert wird. So wird das Wasserreservoir tatsächlich zu einem echten saisonalen Energiespeicher. Dieses Projekt wird bis zu einem Drittel der 2 TWh aller Projekte des Runden Tisches liefern. Das macht es zum bedeutendsten Projekt für die Energieversorgung des Landes.

Was ist das Hauptinteresse dieses Projekts?

Die Schweiz exportiert heute einen Teil ihrer Stromproduktion im Sommer, muss aber im Winter importieren, um die Nachfrage zu decken. Ziel ist es, diese saisonalen Importe zu reduzieren, indem der Bedarf des Landes mit zusätzlicher Produktion gedeckt wird. Dieses Ziel wurde vom Runden Tisch festgelegt, und in diesem Rahmen wird das Gornerli den grössten Beitrag aller Projekte leisten und die Versorgungssicherheit des Landes im Winter stärken. Der neue Staudamm ermöglicht es, Wasser im Frühjahr und Sommer – während der Schneeschmelze – zu speichern, um Monate später Energie zu produzieren und so den Bedarf des Landes zu decken. Die Integration in das Netz der Grande Dixence, das sich über rund hundert Kilometer erstreckt, bringt zudem grosse Flexibilität.

Heute spricht man beim Thema Staudamm oft von Multifunktionalität. Wird das auch beim Gornerli der Fall sein?

Natürlich! Das ist manchmal ein Aspekt, den viele schwer nachvollziehen können. Aber diese Mehrfachnutzung des Wassers ist eine Realität und wird sich mit dem Klimawandel noch verstärken. Auch wenn Staudämme in der allgemeinen Vorstellung vor allem der Energiegewinnung dienen, werden sie zunehmend zu einem Element des Schutzes und der Wasserbewirtschaftung. Denn neben seinem Beitrag zur Stärkung der Energieerzeugung im Winter wird der Gornerli-Staudamm auch einen wesentlichen Beitrag zur Erhöhung der Hochwassersicherheit leisten – nicht nur für Zermatt, sondern für das gesamte Mattertal. Es ist sogar ein zusätzlicher Puffer vorgesehen, um das Wasser aus dem Einzugsgebiet der Gornera zurückhalten zu können, selbst wenn der Stausee voll wäre. Andererseits müssen mit steigenden Temperaturen die Bergregionen öfter auch mit Trockenperioden rechnen. Der neue See wird zudem auch die Versorgung mit Trinkwasser für die Bevölkerung sowie für Landwirtschaft, Industrie und Tourismus im gesamten Tal sicherstellen.

In welchem Entwicklungsstadium befindet sich das Projekt derzeit?

Die geologischen und strukturellen Analysen im Zusammenhang mit dem Standort des Staudamms sind abgeschlossen. Spezielle Studien werden von Glaziologen, Hydrologen und Experten für Naturgefahren durchgeführt, um ein vollständiges und genaues Bild des Standorts zu erhalten. Das logistische Konzept wird ebenfalls ausgearbeitet. Wir bereiten auch den Antrag auf die Baugenehmigung und die Umweltverträglichkeitsprüfung vor, die im ersten Halbjahr 2026 eingereicht werden sollen. Parallel dazu führen wir Gespräche mit den verschiedenen Interessengruppen – Kanton, Gemeinden, Umweltverbände und Bergführer – um insbesondere Lösungen für Umweltkompensationsmassnahmen zu finden. Wir haben auch gerade Gespräche mit den Konzessionsgemeinden begonnen, um eine Vereinbarung über die Restwerte im Zusammenhang mit der Rückgabe der Konzessionen im Jahr 2044 sowie einen Nachtrag zur Konzession zu definieren. Die Inbetriebnahme des neuen Gornerli-Staudamms ist für die erste Hälfte der 2030er Jahre geplant.

Aus unserer Sicht profitieren Zermatt, das Wallis und die Schweiz gleichermassen vom Gornerli-Projekt.

Michaël Plaschy, Leiter Hydro Power Schweiz

Das Gornerli-Projekt stösst auch auf Kritik, insbesondere von Bergführern aus der Region Zermatt. Wie geht Alpiq damit um?

Uns ist bewusst, dass das Gornerli ein anspruchsvolles Projekt ist. Es muss vorab eine umfangreiche Bewilligungsphase durchlaufen, bevor es unter Aufsicht des Bundes realisiert werden kann. Gleichwohl hat sein Bau Auswirkungen auf das Tal und die Landschaft. Wir nehmen daher die Stimmen von Bergführern, aber auch von Landschafts- und Umweltschützern sehr ernst. Wir suchen den Dialog mit ihnen, um Lösungen zu finden und die Akzeptanz zu stärken. Es geht beim Gornerli – wie bei anderen grossen Infrastrukturprojekten – aber auch um eine grundlegende Frage: Wie wichtig ist das Gemeinwohl und welchen Einfluss sollen Einzelinteressen haben. Aus unserer Sicht profitieren Zermatt, das Wallis und die Schweiz gleichermassen vom Gornerli-Projekt.

Und wie steht es um die beiden anderen geplanten Staudamm-Erhöhungen?

Für Moiry wurden die technischen und statischen Analysen durchgeführt. Die Erhöhung des Staudamms wird zwischen 8 und 10 Meter liegen, mit einer Produktionssteigerung von etwa 50 GWh. Diese Erhöhung kann im Rahmen der aktuellen Konzession vorgenommen werden. Bei Emosson ist das Vorgehen durch die Lage an der Grenze zwischen zwei Ländern natürlich komplexer. Die Konzession ist nämlich nicht kommunal oder kantonal, sondern national. Das bedeutet, dass Gespräche zwischen Frankreich und der Schweiz geführt werden müssen. Und eine Erhöhung muss von beiden Seiten angenommen werden. Technische Analysen laufen noch, aber diese Erhöhung sollte im Winter eine zusätzliche Produktionskapazität von 116 GWh bringen, davon die Hälfte für die Schweiz. Beide Projekte könnten ab dem Erhalt der Baubewilligung in einer Bauzeit von rund 3 bis 4 Jahren einen zusätzlichen Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten.