Versorgungssicherheit

«Wetterprognosen spielen eine immer wichtigere Rolle»

28.05.2025, 15:00 | Versorgungssicherheit

Als Energieerzeugerin ist Alpiq auf möglichst präzise Wetterprognosen angewiesen. Denn das Wetter hat einen entscheidenden Einfluss auf die erneuerbare Energieproduktion aus Wind, Sonne und Wasser. Unser Meteorologe Martin Bolliger hat kürzlich auf einer Veranstaltung von Meteo Schweiz, dem Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie, über dieses Thema gesprochen. Wir haben bei ihm nachgefragt, worauf es bei Vorhersagen angesichts des zunehmenden Einsatzes wetterabhängiger erneuerbarer Energien besonders ankommt.

Martin, einen Meteorologen wie Du es bist, stelle ich mir als einen Sammler und Analysten grosser Datenmengen vor. Mit welchen Daten genau arbeitest Du – und wie wertest Du diese für Wetterprognosen aus?

Martin Bolliger: Das trifft in der Tat zu: Meteorologische Daten von unterschiedlichen Quellen zu sammeln, aufzubereiten, zu analysieren und daraus die für Alpiq relevanten Schlüsse ziehen, ist ein grosser Teil unserer Arbeit. Uns interessieren eine Vielzahl von meteorologischen Parametern: Temperaturen, Wind, solare Einstrahlung, Niederschlag, Schnee und einige mehr. Die Auswertung erfolgt qualitativ oder quantitativ – wobei wir versuchen, immer die bestmögliche Datenqualität zu finden – eine konstante Herausforderung.

Mit dem stetigen Ausbau der erneuerbaren Energien spielen die Wetterprognosen eine immer wichtigere Rolle.

Martin Bolliger, Meteorologe bei Alpiq

Welche Rolle spielen Wetter-Prognosen ganz grundsätzlich für die Planung von Stromproduktion und Stromverbrauch bei uns in der Schweiz?

Mit dem stetigen Ausbau der erneuerbaren Energien spielen die Wetterprognosen eine immer wichtigere Rolle. Das gilt für die Stromproduktion aber auch den Transport auf den Netzen. In der Schweiz spielt die Wasserverfügbarkeit – also Niederschlag und Schneereserven -, die Temperaturen hinsichtlich des Stromverbrauchs und die Stromproduktion aus Sonne und Wind eine Rolle. Aufgrund der Vernetzung mit dem Ausland durch Importe und Exporte ist es wichtig, die Versorgungslage der Schweiz in einem europäischen Kontext zu betrachten.  

Die Stromerzeugung aus Windkraft und Photovoltaik gilt als schwankend, weil sehr wetterabhängig. Inwieweit stellt der Einsatz der Erneuerbaren spezielle Anforderungen an Wettervorhersagen?

Genau. Da die Stromerzeugung räumlich immer lokaler wird – zum Beispiel durch Solarpanels auf Häusern – steigen die Anforderungen an die Qualität der Wettervorhersagen ständig. Regionale Wettermodelle haben heute eine räumliche Auflösung von einem Kilometer. Das heisst: Wetterphänomene, die sehr lokal sind, wie beispielsweise bei einer winterlichen Nebellage im Schweizer Mittelland, sind eine Herausforderung. Wenn dann weniger Sonnenstrom produziert wird als vorhergesagt, muss diese Energie anderweitig bereitgestellt werden. Ein anderes Beispiel ist das, was wir in Deutschland immer mehr beobachten: aufgrund von Netzengpässen werden Wind und solare Energieerzeugung abreguliert – häufig zur Mittagszeit. Es gibt dann schlichtweg zu viel Energie im System. Beide Beispiele zeigen: Aufgrund der Unsicherheit in der Erzeugung mit den erneuerbaren Energien ist flexible Stromproduktion immer mehr gefragt. Und da kommt beispielsweise unsere Wasserkraft ins Spiel oder zunehmend auch Batterien.

Wie verbessern Vorhersagemodelle mit künstlicher Intelligenz die Prognosefähigkeit für die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien?

Vorhersagemodelle erzeugt mit künstlicher Intelligenz können zusätzliche Möglichkeiten eröffnen. Beispielsweise eine im Vergleich zu numerischen Wettermodellen günstigere Erzeugung von Wetterprognosen – mit beliebig vielen Vorhersagen. KI basierte Wettermodelle sind jedoch zurzeit noch nicht so weit, die herkömmlichen Modelle abzulösen. Momentan werden ihre Vorhersagen eher als komplementäre Informationsquelle verwendet – die KI-Modellentwicklung ist aber in vollem Gang und deren Entwicklung verfolgen wir genau.